Fast wären es mehr als hundert Besucher geworden, so groß war der Zustrom der Literaturfreunde und Sprachinteressierten zum unterhaltsamen Mundartabend des St. Ingberter Literaturforums in der Stadtbücherei. Seit über 150 Jahren entsteht
in St. Ingbert Literatur, wobei eine Vielzahl von Autoren gerade im heimischen Dialekt eine begeisternde Fülle dichterischer Formen gestaltet hat. Ihre Themenpalette reicht von Stadtgeschichten und Allgemeinmenschlichem bis hin zu Sozialkritik und Entdeckung des eigenen Lebensraums. Die Dengmerter Schriftsteller beherrschen virtuos alle Ausdrucksmöglichkeiten in der ihnen vertrauten rheinfränkischen Mundart und setzen mit ihrem unerschöpflichen Einfallsreichtum, ihrer berührenden Sensibilität und hinreißenden Sprachkunst echte Maßstäbe. Die kurzweilige Lesung rückte ihre „Dengmerter Sprooch“ in den Mittelpunkt.
Die Akteure des Abends Albrecht Zutter, Manfred Kelleter, Horst Lang, Ursula Ochs-Steinfeld und Albrecht Ochs stellten sowohl eigene Gestaltungen als auch Schöpfungen verschiedener Schriftsteller vor, die aus St. Ingbert stammen oder längere Zeit hier lebten.
Der Pädagoge, Schriftsteller und Verlagsgründer Albrecht Zutter berichtete von seinen Begegnungen mit dem früh verstorbenen Heimatdichter Heinrich Kraus, der dieses Jahr seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert hätte. Er zitierte einige Kabinettstücke aus dem umfangreichen Werk des von 1964 bis zu seinem frühen Tod 2015 im pfälzischen Schönenberg-Kübelberg lebenden und virtuos die Klaviatur der rheinfränkischen Mundart bespielenden Künstlers: „Soll e anneri Sprooch dann meh wie unseri gelle …?“, fragte Kraus seinerzeit rhetorisch und machte damit deutlich, welchen Stellenwert er der Mundart auch als Literatursprache beimaß. Besonderen Beifall fanden jene Kraustexte, die anekdotenreich die Erlebnisse des Autors in der verschwundenen alten Stadtbücherei hinter dem gleichfalls abgerissenen alten Rathaus skizzierten.
Den souveränen Darbietungen Albrecht Zutters schloss sich der vielseitige Künstler Manfred Kelleter an. Sein literarisches Schaffen besticht durch versierte einfühlsame Lyrik in „de Dengmerder Sprooch“. Quellen seiner Inspiration sind der Kreislauf der Jahreszeiten, seine geliebte Heimatstadt St. Ingbert und die schöne Bliesgauregion. Auch er würdigte den Stadtpoeten Kraus: „Der is schuld dran, dass ich heit schreiwe“ und beeindruckte das Auditorium mit anrührenden eigenen Gestaltungen, etwa „Iwwer de Kriisch“, einem bewegenden Appell für Ausgleich und Frieden zwischen den Völkern und Nationen.
Von Jürgen Bost präsentiert wurden der Lebenslauf und die volkstümlichen Verse des neben der Josefskirche 1834 zur Welt gekommenen Karl August Woll, der am Beginn dieser literarischen Generationenfolge steht. Schon als junger Mann in die Pfalz übergesiedelt, blieb Woll zeitlebens seiner saarländischen Heimat treu und fand 1893 auf dem Alten Friedhof seine letzte Ruhestätte, die leider ihrer Porträtbüste beraubt wurde. Wolls literarische Bandbreite reicht von gedankenschwerer Lyrik bis zum humoristischen Lied, er beherrschte fast alle Dialekte der Pfalz und schrieb in ihren verschiedenen Idiomen. St. Ingbert und seiner Muttersprache widmete er ein zehn Seiten langes Poem.
Horst Lang entdeckte schon während des Germanistik- und Romanistikstudiums in Saarbrücken und Nancy seine Liebe zum Theater, sammelt Erfahrungen als Schauspieler und Regisseur und war langjähriger Leiter des „Theater 63“ St. Ingbert. Für diesen Abend hatte er in seinem „Atzelarchiv“ gekramt und dabei ebenso Erstaunliches wie Unterhaltsames zu Tage gefördert. Seine feinsinnigen Mundartkolumnen, die er als „Die Atzel“ wöchentlich im St. Ingberter Teil der Saarbrücker Zeitung veröffentlicht – vor einigen Tagen war die Tausendste erschienen! – erfreuten die Zuhörer mit allerlei Kuriosem, Nachdenkenswertem und Lachhaftem aus dem saarländischen Alltag.
Den Abend rundeten Ursula Ochs-Steinfeld und Albrecht Ochs ab. Sie boten dem aufmerksamen Publikum Texte von Karl Uhl und Eugen Motsch und ließen das alte St. Ingbert in ihren souverän vorgetragenen literarischen Gestaltungen wieder erstehen. Ob es nun um eine beschwerliche Wallfahrt nach Gräfinthal oder die Entstehung des Bergmanngrußes „Glück auf“ ging, man hätte ihnen noch viele Stunden lang zuhören können. Doch irgendwann ist auch bei hochkarätig besetzten literarischen Abenden ganz einfach „Schicht“.
Als Resumee bliebe Folgendes festzuhalten: Mundart ist Alltagssprache, sie prägt die Menschen nachhaltig in ihrem Denken und in ihrem Umgang miteinander. Somit ist Mundart zugleich auch Heimat. Erfreulicherweise wird der St. Ingberter Kultursommer in wenigen Wochen auf das Anliegen, unsere Mundarten im Saarland zu erhalten und zu pflegen, zurückkommen. Diese gute Nachricht konnte den Besuchern der Veranstaltung mit auf den Weg gegeben werden.
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