Schnurgerade Straßen in einer schnurgeraden Geschichte. Ein alter Mann tuckert auf einem Rasenmäher durch Amerika. Mit dieser Hommage an die Langsamkeit hat Lynch den bewegendsten Film des Jahres (1999) gedreht: „Eine wahre Geschichte – The Straight Story“.
„Eine wahre Geschichte – The Straight Story“ – ein Roadmovie von Regisseur David Lynch aus dem Jahr 1999 mit Richard Farnsworth, Sissy Spacek, Harry Dean Stanton, basierend auf der echten Geschichte des Rentners Alvin Straight, der die fast 400 Kilometer lange Strecke zu seinem Bruder auf einem Aufsitz-Rasenmäher zurücklegte. Alvin Straight (Richard Farnsworth) ist ein alter Sturkopf aus Laurens, Iowa, der kaum noch laufen kann, aber trotzig seinen Weg macht. Als seine Tochter Rose (Sissy Spacek) ihm mitteilt, dass sein Bruder Lyle (Harry Dean Stanton) einen Schlaganfall erlitten hat, beschließt Alvin, sich mit ihm zu versöhnen, bevor es zu spät ist. Vor zehn Jahren sind die beiden im Streit auseinander gegangen. Weil er keinen Führerschein besitzt, kaum noch sehen kann, aber auf keinen Fall einen Chauffeur will, fasst er einen unglaublichen Plan: Er wird die 700 Meilen bis Mount Zion, Wisconsin, auf einem Rasenmäher zurücklegen. Gegen Roses Bedenken stopft Alvin den Anhänger voll mit Wurstkonserven und fährt los… Sechs Wochen ist Alvin Straight unterwegs. Der Takt des Mähers gibt den Rhythmus des Films vor, fast wie in Zeitlupe. Sechs Wochen schnurgerade Straße, vorbei an Maisfeldern und winzigen Ortschaften, voller Begegnungen mit freundlichen Menschen, die Alvin ihre Hilfe anbieten.
Der Film (Musik: Angelo Badalamenti) gehört wohl zu David Lynchs am wenigsten diskutierten Werken und wurde mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Es ist ein Roadmovie, das im Gegensatz zu den meisten anderen Filmen von David Lynch fast keine erzählerischen Brüche aufweist und in sehr langsamem Tempo gehalten ist.
„So straight und anrührend, daß der Film in den USA von Walt Disney in den Verleih genommen wurde […] eine Selbstrevision […] Selbst wenn man den Film auf diese Weise sieht, bleibt er verstörend schön. […] Alvins Reise vermittelt manchmal pures Glück.“ (Georg Seeßlen)
Die Landschaftsaufnahmen sind ein wahrer Genuss. Seien es nun Farmlandschaften und windgezeichnete Kornfelder, die bis zum Horizont reichen, eine Großaufnahme von Richard Farnsworth‘ Gesicht, in dem man Emotionen lesen kann wie aus einem Buch, oder einfach ein Sternenhimmel, Lynch dreht vor allem für’s Auge und für’s Herz, nicht für den Verstand, und das macht er außerordentlich gut.
Seit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ hat sich kein Film mehr so behutsam, rührend und großartig der Würde des Alters angenommen. Lynch folgt der alten Tradition des Geschichtenerzählens. Gleichzeitig verbeugt er sich respektvoll vor dem ländlichen Amerika.
„Als Alvin und Lyle schließlich aufeinandertreffen, sind keine großen Worte mehr nötig. Die Geste sagt alles und leitet eine der schönsten „Liebesszenen“ des Kinos ein. David Lynch benötigt dafür nur zwei alte Männer auf einer Veranda unter einem Sternenhimmel.“ (Olaf Schneekloth, SPIEGEL)
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